Zeitgenössische Musik
Das Projekt GUITAR FUTURE begann 1988 mit der Bitte an die
amerikanische Komponistin Gloria Coates, um
ein Stück für Gitarrenduo. Die Uraufführung von Lunar Loops (♫
117 KB) spielten Ruth Fischer und Stephan Stiens beim
Münchner Gitarrenfestival 1989.
Mit der Durchführung des Gitarrenzyklus 20th CENTURY GUITAR
im Februar 2000 in der Münchner Musikhochschule und bei
Aspekte in Salzburg hat Stephan Stiens seinen Einsatz für die
Gitarrenmusik des 20. Jahrhunderts in neuen
Darbietungszusammenhängen (Tanz, Rezitation, Lichtgestaltung)
noch verstärkt.
Einer der Höhepunkte der Konzerte war die Uraufführung von
VERMILION SANDS für einen Spieler und zwei Gitarren von Moritz
Eggert).
Das Projekt GUITAR FUTURE fand 2003 unter dem Titel 21st
CENTURY GUITAR in der Münchner Musikhochschule seine
Fortsetzung. Es waren Uraufführungen für Laute und Gitarre zu
hören, sowie die Gitarre in außergewöhnlichen Besetzungen
präsentiert (Gitarre und Schlagzeug, Chor, Tanz, Gesang).
Unter anderem waren Werke von Sor, Takemitsu, Schneider,
Benguerel, Furrer, Castelnuovo-Tedesco und Huyssen zu hören.
Im Jahr 2006 führte Stephan Stiens führte mit seinem Konzertzyklus FREE SOLO
in 12 aufeinander folgenden Konzerten im monatlichen Gang
durch die Welt der Laute und Gitarre von der Renaissance bis
hin zu Neuer und Neuester Musik des 21. Jahrhunderts. Im
Mittelpunkt stand die Gitarre als intime, seelenvolle
Vermittlerin der Musik aus 4 Jahrhunderten.
Uraufführungen von Stephan Stiens
- Minas Borboudakis – "zwischenstücke", Pasinger Fabrik,
München 2015 (Link
zum Live-Mitschnitt auf YouTube)
- Cornelius Hirsch – Im Schwung implodierenden Wachstums für
Gitare solo, Studio für Neue Musik, Bayerische
Versicherungskammer, München 2013
- Nikolaus Brass – Lines for guitar, Studio für Neue
Musik, Bayerische Versicherungskammer, München 2013
- Anton Ruppert – 7 Interludien für Gitarrenquartett, Black
Box, Gasteig, München 2009
- Mark Pogolski – Metamorphose für Gitarre solo, Studio für
Neue Musik, Bayerische Versicherungskammer, München 2009
- Norbert Stammberger –re-recording no. 29.3006.06 für
E-Gitarre und Orchester, Bayerischer Rundfunk –
Rundfunkorchester 2006 (♫ 614 KB)
- Manfred Fleischmann – Darkoviati für Gitarre solo,
Gesellschaft für Neue Musik, München 2003
- Hans Huyssen – A Southern Nocturnal für Gitarre solo,
Hochschule für Musik und Theater, München 2003 (♫
410 KB)
- Hans Huyssen – Volksliedarragements für Tenor und
Gitarre, Kulturzentrum, Haar 2002
- Robert Schneider – Vanished Days für Laute, Hochschule für
Musik und Theater, München 2002 (♫
1,2 MB)
- Moritz Eggert – Vermilion Sands für einen Gitarristen und
zwei Gitarren, Hochschule für Musik und Theater, München
2000 (für
einen Ausschnitt aus der Uraufführung auf YouTube bitte
hier klicken)
- Hans Huyssen – Die Stimmen nach Gedichten von Rainer
Maria Rilke für Bariton und Gitarre, Gasteig, München 1997
- Gloria Coates – Lunar Loops for two guitars,
Max-Joseph-Saal, München 1989 (♫
117 KB)
Eigene Kompositionen und ihre Uraufführungen
- Über alle Berge | Lieder mit alpenländischen Splittern für
Sopran und Gitarre - Seidlvilla, München 2017
- Punkt (für Gitarrenorchester, 4 Solisten und 4 Sprecher)
auf Texte von Adalbert Stifter und Alberto Salcedo Ramos -
Schwere Reiter, München 2014 (für weitere
Informationen bitte hier klicken)
- Der Besuch (für Sopran und Gitarre) nach einem Gedicht
von Christian Teissl - Schwere Reiter, München 2014
- Liederzyklus JETZT (für Bariton und Gitarre) - Gasteig
München, 2013 (für weitere
Informationen und ein Video mit 6 ausgewählten Liedern
bitte hier klicken)
- Ins Offene (für 3 Gitarren und 1 Bassgitarre) - Interim
München, 2012
- Hallraum I - VI - Zwischenmusik zu Joseph Haydn: Die
sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz (für 3
Gitarren und 1 Bassgitarre) - Alte St. Martin Kirche
München, 2012
- Tombeau pour Hilmar Binder (für 3 Gitarren und 1
Bassgitarre) - Hubertussaal München, 2010
- A kind of (für Gitarre solo) - Pelkovenschlössl, München
2005/2006: Blue Dance | A little Pop Song | A Monument | A
Choral
- Vier Lieder (für Sopran, für 2 Gitarren und
Bassblockflöte) - Pelkovenschlössl, München 2006
- Achilles Moves (für 6 Konzertgitarren und 2 Bassgitarren)
- Pelkovenschlössl, München 2006 (Konzertmitschnitt,
wmv, 14 MB)
- Das Ende der Nacht
(Jugendoper) - Pasinger Fabrik, München 2002
- Emil und die Detektive (Kindermusical) - Pasinger Fabrik,
München 2000 (♫ 302
KB)
Einführung in das FREE
SOLO Konzert "My Generation" im Juli 2006
von Stephan Stiens
Die Musik früherer Jahrhunderte, auch wenn sie durch die Kunst
der Interpreten ein gleichsam unvergängliches, auf jeden Fall
aber neues Leben und bisher oft ungehörte Dimension gewinnt,
schweigt doch zu Vielem, was uns heute bewegt. Sie werden heute
Abend Musik hören, die nicht älter als 10 Jahre ist. Die
Komponisten dieser Werke wurden zwischen 1954 und 1965 geboren,
gehören also in etwa einer Generation, meiner Generation an.
Das Motto des Konzerts My Generation bezieht sich auf diesen
Umstand, greift aber viel tiefer. Einer Generation anzugehören,
bedeutet ja zum einen, den gemeinsamen Erfahrungshintergrund und
zum anderen, auf die Musik bezogen, eine ähnliche musikalische
Sozialisation. Sie ist es, die diese Generation in bis dahin
nicht bekannter Art und Weise geprägt hat. Das Stichwort hierfür
ist Weltmusik. Jede Art von Musik, die in dieser Welt produziert
oder jemals produziert worden ist, scheint für unsere Ohren
verfügbar zu sein. Indonesische Gamelanmusik, Musik der
französischen Notre-Dame Schule um 1200, elektronische serielle
Musik, Pop-Musik, all das kann nacheinander, nebeneinander und
sogar durcheinander gehört werden. So besehen, gerät der
unfassbare Reichtum der Musik zur erdrückenden Belastung. Für
die Komponisten kam und kommt dann noch das ungeheure Gewicht
der mitteleuropäischen Musiktradition hinzu. In Ermangelung
eines verbindlichen Stils und verpflichtender Regeln, lag und
liegt ein Reich unendlicher Hörmöglichkeiten vor den
Komponisten, die es mit Form zu füllen gilt.
Die Zugehörigkeit zu dieser Generation, hat mich privilegiert,
mit den Komponisten persönlich ihre Werke zu erarbeiten. Einige
Werke habe ich selbst in Auftrag gegeben und uraufführen
dürften.
My Generation ist auch ein persönliches Projekt, das ich
fortzusetzen hoffe. Bei aller Unterschiedlichkeit der
kompositorischen Ansätze, fällt bei den Werken des heutigen
Abends auf, dass der Respekt und die tiefe Liebe zur Tradition
allen Komponisten zu Eigen sind. Dieses Merkmal führt mich
zunächst zu den Werken der ersten Konzerthälfte, die von
durchaus bewahrendem Charakter geprägt sind. Im Gegensatz hierzu
scheint die Musik der zweiten Konzerthälfte sich weit in die
Zukunft des Hörens und Musizierens vorzuwagen.
Detlev Glanert, 1960 geboren, unter anderem Schüler von
H.W.Henze, ist ein namhafter Vertreter dieser Generation.
Paralipomena – Ausgelassenes; Ergänzung; Nachtrag zu einem
literarischen Werk. Die Paralipomena wurden 1994 uraufgeführt.
Sie hören die folgenden Sätze: Das Meer; das Reich der Sterne;
Zerstreute Tropfen; das Nordlicht; das Land der Wolken. Lassen
Sie sich überraschen von dieser Musik, von dieser Sensibilität
und Empfindung, mit der Detlev Glanert die nie geschriebenen
Märchen von Novalis musikalisch imaginiert…
Die folgende Komposition trägt den Titel
Vanished Days (entschwundene Tage). Sie stammt vom Münchner
Komponisten Robert Fabian Schneider. Er studierte in München
Klavier und Komposition und ist ausgebildeter Tonmeister. Er hat
sein Werk für ein Instrument geschrieben, das man zunächst nicht
mit Neuer Musik in Verbindung bringt: für Renaissance-Laute. Für
die Klangerzeugung schlug er übrigens eine Feder vor, nicht
ahnend, dass sich hier eine Parallele zur Tonerzeugung auf einer
arabischen Laute (Oud) ergab. Die Oudmeister vergangener
Jahrhunderte hatten die Saiten ihrer Laute mit dem Kiel einer
Adlerfeder angespielt. Vanished Days ist eine Art Paraphrase
über das Thema einer Komposition von Edvard Grieg. Griegs Werk
trägt den Titel: Abend im Hochgebirge. Robert Schneider nimmt
die gleichermaßen melancholische Stimmung wie erhabene
Atmosphäre der Griegschen Komposition auf, deutet aber die
Motive neu, dehnt und zersplittert sie, um am Schluss zu Griegs
Originalthema zurückzukehren. Modern geläutert erhält diese
Komposition die Feierlichkeit von "Abend im Hochgebirge".(
♫
1,2 MB)
Hans Huyssen studierte in Salzburg Cello
und Komposition. Seit einiger Zeit lebt er wieder in Südafrika,
seiner Heimat. Im Moment beschäftigt ihn ein großes Projekt: die
Komposition einer südafrikanischen Oper. Auch in seinem
Gitarrenwerk spielt die Tradition eine wichtige Rolle. Op my ou
Ramkietjie, der Titel dieser Komposition ist gleichzeitig der
Titel eines alten südafrikanischen Volkslieds der Weißen,
afrikaans sprechenden Bevölkerung Südafrikas. "Auf meiner alten
Ramkietjie", der Titel des Liedes, handelt von einem Mann, der
auf einer Ramkietjie (einem Saiteninstrument) spielt, auf der
nur noch eine Saite ist. Dem Gitarrenwerk von Hans Huyssen war
eine von ihm komponierte Gitarrenbegleitung zu diesem alten
Volkslied vorausgegangen, nur auf der hohen e-Saite zu spielen.
Es sind aber, wie im richtigen Leben, zwei Welten die sich in
diesem Southern Nocturnal, so der Untertitel, aneinanderreihen
und sich am Ende musikalisch annähern, ohne sich zu vereinen.
Musik = Volkslied, Musik = Hutumusik. (
♫
410 KB)
Der in Österreich lebende Schweizer Komponist Beat Furrer
komponierte "...y una Cancion desesperada" ("...wie ein
verzweifeltes Lied") 1986 für drei Gitarren. Dieses Stück ist
auf ganz eigene Art rückhaltlos. Die Regeln der musikalischen
Grammatik und des musikalischen Satzbaus scheinen aufgehoben in
dieser Welt der Schattenklänge, am Rand des Verstummens. Es
stellt Spieler sowie Hörende vor eine Probe der Wahrnehmung und
entfaltet hier seine Wirkung. Vielleicht möchten Sie die Augen
schließen, und hören, was spieltechnisch nur scheinbar
unspektakulär erscheint.
In ganz und gar eigenständiger Weise nun zum Abschluss ein Stück
Zukunftsmusik. Moritz Eggert gehört wohl zu den profiliertesten
Komponisten dieser Generation. Er ist ein hochvirtuoser Pianist
und Interpret seiner eigenen Werke. Inzwischen hat er wohl für
nahezu alle Gattungen komponiert, seien es Kammermusik,
Orchestrale Werke, oder Opern. Seine Komposition Vermilon Sands
für einen Gitarristen und zwei Gitarren ist wohl eines der
spektakulärsten Gitarrenstücke überhaupt. Es führt den
Interpreten an Grenzen der Darstellbarkeit und bezieht aus
dieser existenziellen Situation eine enorme Spannung und
Energie. (
Video,
mov,
4
MB)
Ich möchte Ihnen sagen, dass es dieser Generation sehr wohl
bewusst ist, welch großes Akzeptanz-Defizit und welch große
Skepsis ihr entgegensteht. Der Dichter Juan Carlos Onetti hat
gesagt: „Es gibt keine Überraschungen im Leben… alles was uns
überrascht ist gerade das, was den Sinn des Lebens bestätigt.“