CD Spirit of Shakespeare mit Werken von H.W. Henze und John
Dowland
2000 | col legno | leider vergriffen
Gleich einem musikalischen Reflex auf Shakespeare-Prosperos
letzte Worte „…und in Verzweiflung muss ich enden…“, eröffnet
die chromatisch absteigende Linie der Forlorn Hope Fancy von
John Dowland (
♫
2:04) die Gegenüberstellung der Tänze und Fantasien der
Elisabethanischen Epoche, und Hans Werner Henzes zwei Sonaten
der Royal Winter Music auf Bühnenfiguren von William
Shakespeare.
Jede Hoffnung hat auch Gloucester (Richard III.) verloren, der
verzweifelt und krank an sich selbst, seinem Monolog „…Now is
the winter of our discontent…“ blutige Taten folgen lässt, und
die Welt mit Macht und Gewalt verändert (
♫
2:42).
Würdevoll, aber auch voller Trauer, steht die Lachrimae Pavan
zwischen Gloucesters gewaltsamen Schlägen und Romeo und Julia,
den Liebenden, die nicht zueinander finden und eins werden
können, wie die extremen engen und weiten Intervalle in diesem
Satz (
♫
2:03).
A Fancy mit ihrer Verspieltheit, Liebenswürdigkeit und im
Schlusstremolo gesteigerten Virtuosität, führt uns zu
Shakespeare/Henze quirligem Luftgeist Ariel.
Mit wirren Worten und Melodiefetzen auf den Lippen, vielleicht
aus Lady Hunsdon’s Puffe oder aus der Melancholy Galliard,
findet die unglückliche Ophelia den Tod im Wasser.
John Dowland Complaint nimmt noch einmal Ophelias umschattete
tiefe Traurigkeit auf, bevor dann die Musik seiner Fantasie und
Henzes Touchstone, Audrey and William ein Fest des Lebens
feiert, voller Stimmenvielfalt, tänzerischer Heiterkeit und
Shakespeares Humor.
Die wilden Kapriolen am Ende von Mr. Langton’s Galliard scheinen
uns im die (alp)-traumhafte Welt der Elfen und Geister in
Shakespeares Ein Sommernachtstraum zu entführen. Oberons
herrscherliche Attitüde findet ihren Widerhall in Dowlands
feierlicher Piper’s Pavan. Die Konfusion, die Oberon stiftet,
schwingt in den quasi improvisatorischen Abschnitten von A Fancy
mit.
Trauermarschhaft, von wilden Ausbrüchen durchzogen, erklingt das
musikalische Portrait des traurig komischen Sir Andrew
Aguecheek. Ein musikalisches Denkmal, das seine Entsprechung in
Tarleton’s Riserrectione findet, von Dowland auf den Tod des
berühmten Hofnarren Richard Tarleton komponiert.
Die Spielfreude der dilletierenden Handwerker/Schauspieler in
Ein Sommernachtstraum, klingt in A Toy an, und wenn Botton dann
in seinen schier unbeschreiblichen Traum fällt, sind es
gleichsam schwebende Klänge, die in seinem Traum und Mr.
Dowland’s Midnight erklingen.
In der wie irr auffahrenden klanglichen Geste der Mad Lady
Macbeth, kündigt sich unheilvoll ihr „dem Wahsinn naher“
Auftritt an. Am Ende ihrer mörderischen Lebensbahn steht
hoffnungslose, völlige Zerrüttung. Aus ihrem sinnlos taumelnden
Zusammenbruch, erhebt sich zart, ja fast zögernd die chromatisch
aufsteigende Linie von Farewell (
♫
2:04).
Ein Abschied voll Wehmut und Trauer, aber nicht ohne Hoffnung,
wie auch Shakespeares Prospero uns nicht ohne Hoffnung entlässt.
"…Wenn nicht Gebet mir Hilfe bringt,
Welches so zu Himmel dringt,
Dass es Gewalt der Gnade tut
Und macht jedweden Fehltritt gut …"
William Shakespeare "Der Sturm"