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"... einen exzeptionellen Gitarristen vorausgesetzt. Stephan Stiens bringt die Henzeschen Piecen mit jener Leichtigkeit zum Sprechen, die uns des Dramatikers Gestalten noch heute so lebenswarm erscheinen lassen ..." "

DIE ZEIT, Frank Hilberg 2001



CD Spirit of Shakespeare mit Werken von H.W. Henze und John Dowland

2000 | col legno | leider vergriffen

Gleich einem musikalischen Reflex auf Shakespeare-Prosperos letzte Worte „…und in Verzweiflung muss ich enden…“, eröffnet die chromatisch absteigende Linie der Forlorn Hope Fancy von John Dowland (♫ 2:04) die Gegenüberstellung der Tänze und Fantasien der Elisabethanischen Epoche, und Hans Werner Henzes zwei Sonaten der Royal Winter Music auf Bühnenfiguren von William Shakespeare.

Jede Hoffnung hat auch Gloucester (Richard III.) verloren, der verzweifelt und krank an sich selbst, seinem Monolog „…Now is the winter of our discontent…“ blutige Taten folgen lässt, und die Welt mit Macht und Gewalt verändert (♫ 2:42).

Würdevoll, aber auch voller Trauer, steht die Lachrimae Pavan zwischen Gloucesters gewaltsamen Schlägen und Romeo und Julia, den Liebenden, die nicht zueinander finden und eins werden können, wie die extremen engen und weiten Intervalle in diesem Satz (♫ 2:03).

A Fancy mit ihrer Verspieltheit, Liebenswürdigkeit und im Schlusstremolo gesteigerten Virtuosität, führt uns zu Shakespeare/Henze quirligem Luftgeist Ariel.

Mit wirren Worten und Melodiefetzen auf den Lippen, vielleicht aus Lady Hunsdon’s Puffe oder aus der Melancholy Galliard, findet die unglückliche Ophelia den Tod im Wasser.

John Dowland Complaint nimmt noch einmal Ophelias umschattete tiefe Traurigkeit auf, bevor dann die Musik seiner Fantasie und Henzes Touchstone, Audrey and William ein Fest des Lebens feiert, voller Stimmenvielfalt, tänzerischer Heiterkeit und Shakespeares Humor.

Die wilden Kapriolen am Ende von Mr. Langton’s Galliard scheinen uns im die (alp)-traumhafte Welt der Elfen und Geister in Shakespeares Ein Sommernachtstraum zu entführen. Oberons herrscherliche Attitüde findet ihren Widerhall in Dowlands feierlicher Piper’s Pavan. Die Konfusion, die Oberon stiftet, schwingt in den quasi improvisatorischen Abschnitten von A Fancy mit.

Trauermarschhaft, von wilden Ausbrüchen durchzogen, erklingt das musikalische Portrait des traurig komischen Sir Andrew Aguecheek. Ein musikalisches Denkmal, das seine Entsprechung in Tarleton’s Riserrectione findet, von Dowland auf den Tod des berühmten Hofnarren Richard Tarleton komponiert.

Die Spielfreude der dilletierenden Handwerker/Schauspieler in Ein Sommernachtstraum, klingt in A Toy an, und wenn Botton dann in seinen schier unbeschreiblichen Traum fällt, sind es gleichsam schwebende Klänge, die in seinem Traum und Mr. Dowland’s Midnight erklingen.

In der wie irr auffahrenden klanglichen Geste der Mad Lady Macbeth, kündigt sich unheilvoll ihr „dem Wahsinn naher“ Auftritt an. Am Ende ihrer mörderischen Lebensbahn steht hoffnungslose, völlige Zerrüttung. Aus ihrem sinnlos taumelnden Zusammenbruch, erhebt sich zart, ja fast zögernd die chromatisch aufsteigende Linie von Farewell (♫ 2:04).

Ein Abschied voll Wehmut und Trauer, aber nicht ohne Hoffnung, wie auch Shakespeares Prospero uns nicht ohne Hoffnung entlässt.

"…Wenn nicht Gebet mir Hilfe bringt,
Welches so zu Himmel dringt,
Dass es Gewalt der Gnade tut
Und macht jedweden Fehltritt gut …"

William Shakespeare "Der Sturm"